Der lange Weg der Entscheidungsfindung – und jetzt ist mein Kind angemeldet

Kind steht vor Spreewald Grundschule in Berlin-Schöneberg

Liebes Elternteil, das den Weg zu diesem Text gefunden hat,

diese Internetseite ist allein auf Initiative mehrerer Eltern entstanden, deren Kinder 2020 in der Spreewald Grundschule eingeschult werden. Und die sie dort auch wirklich angemeldet haben. Wir sind nicht bedenkenfrei. Genau wie du wahrscheinlich. Deswegen haben wir alles getan, um Antworten auf unsere Fragen zu finden, die du dir wahrscheinlich auch stellst.
Im diesem Beitrag habe ich, Annika, diese Fragen und Gedanken zusammengetragen, die „häufig im Raum standen“ und schreibe hier, was ich dazu recherchiert habe und was ich dazu denke. Vielleicht findest du dich ja in dem ein oder anderen Punkt wieder.

„DIE BRAUCHEN JA SOGAR EINEN SICHERHEITSDIENST AN DER SCHULE WEGEN DEN CLANS UND DEN DROGEN UND DER GEWALT!“

Wer das Schulgelände von außen kennt, weiß, dass es zum Winterfeldplatz hin (Westseite) nur einen kleinen Zaun gibt. Der wird am Wochenende und abends gerne überwunden um auf dem Dach der Turnhalle Alkohol zu konsumieren und um sich in den Büschen zu erleichtern. Wegen DIESER Probleme braucht es aktuell einen Sicherheitsdienst. Aber den braucht es bald nicht mehr, da gerade ein höherer Zaun gebaut wird. Da der Sicherheitsbeauftragte aber so gut ins Team passt und inzwischen viele andere Aufgaben übernimmt, versuchen das Kollegium und die Direktorin ihn unbedingt zu halten. Auf der Seite der Turnhalle spielen aktuell keine Kinder.

„Es gibt dort ja so viele Kinder aus, wie soll ich sagen, bildungsfernen Haushalten. Ob mein Kind wirklich etwas lernt, wenn so viele noch gar nicht richtig Deutsch können?“

Stimmt. Dieser Anteil ist groß. Aber heißt das automatisch, man sollte sein Kind dort nicht hinschicken? Schau dir die Neumark-Schule an, die den Weg der Spreewald Grundschule schon ein paar Meter weitergegangen ist: Es gibt Eltern, die ihre Kinder inzwischen DORT HIN UMMELDEN, weil die Schule so toll ist.

Wenn wir die Durchmischung an der Spreewald Grundschule schaffen, wird sich das Thema auch bei uns „von ganz alleine“ lösen.

Abgesehen davon: ich wünsche mir eine Schule, die unsere Welt, unsere Stadt so abbildet wie sie ist. Das haben wir noch nicht ganz geschafft, aber genau jetzt ändert sich das gerade.

Und du hast Recht. Diese Bedenken kann man trotzdem nicht ganz abweisen. Noch nicht.

„Theaterschwerpunkt… klingt ja gut, aber mein Kind ist da nicht der Typ für.“

Das denke ich über meines auch. Und dann habe ich mit einer Mutter gesprochen, deren Kind nach sechs Jahren Spreewald inzwischen auf einer weiterführenden Schule ist und (obwohl schüchtern) völlig frei vor der Klasse vortragen kann. Weil es schon oft genug auf einer Bühne stand.

Wer mehr darüber erfahren möchte – besser als auf der Homepage könnte ich es auch nicht formulieren: http://www.spreewald-grundschule.de/das-theater/

„Die arme, ARME Ex-Direktorin!“

Du hast bestimmt viel über Frau Unzeitig, die ehemalige Direktorin der Spreewald Grundschule, in der Presse gelesen und großes Mitleid bekommen. Und an jeder Geschichte ist etwas Wahres dran. Aber:

  • Wenn sie so sehr hinter den tollen Kindern steht – warum veröffentlicht sie ihre Abrechnung ausgerechnet in dem Monat, in dem der Anmeldezeitraum für Grundschüler beginnt? Die Zeit im Jahr, in der sich gegenüber den anderen Monaten die meisten für Grundschulen interessieren? Sicher erhöht das die Verkaufszahlen bei Amazon, aber damit steht sie eigentlich nur hinter sich selbst.
  • Die Aussage einer ehemaligen Elternsprecherin war: „Sie hat die Stimmung kaputt gemacht und Leute gegeneinander aufgebracht. Sie hat unterschiedliche Informationen gestreut und auch mal damit hinterm Berg gehalten. Ich war so erschöpft und habe jeden Lehrer verstanden, der in der Zeit gegangen ist. Als die tolle Klassenlehrerin meines Kindes wegen ihr aufgegeben hat, habe auch ich mein Kind von der Schule genommen.“
  • Hast du schon mal von Lehrern und Erziehern gehört, wie „furchtbar“ diese Schule ist? Waren sie auf irgendeinem der inszenierten Bilder von Frau Unzeitig zu sehen? Sind dir irgendwelche Brandbriefe von den Lehrkräften an den Senat bekannt?
    Ich habe darüber mit einem Erzieher gesprochen, der von einer vor dem Schulgelände wartenden Reporterin geflüchtet ist, die ihm negative Aussagen über die Schule in den Mund legen wollte.

„Was gibt es sonst, Das ich wissen sollte und Das in der Presse eher nicht kommuniziert wurde?“

  1. Die neue Direktorin. Wie man einen Menschen findet ist total subjektiv. Auffällig ist aber, dass wir ALLE begeistert waren. Sie steht hinter ihrer Schule und betont regelmäßig das Engagement des Kollegiums (keine „one-woman show“…). Sie negiert die Probleme nicht, sondern sagt sehr glaubhaft „Wenn es ein Problem gibt, dann sprechen wir darüber und dann lösen wir es gemeinsam.“ Und sie hat sich eingesetzt für den einzig relevanten Leitsatz, der an einer Schule gelten sollte: „Schön, dass du da bist!“
  2. Ein junges Kollegium, bei dem alle Stellen besetzt sind. Die Lehrer und Erzieher, die wir kennen gelernt haben, sind übrigens gerne dort – obwohl sie sich die Stelle „aussuchen“ könnten.
  3. Kleine Klassen. In Berlin sind inzwischen gerne mal 27 Kinder in einer Schulklasse. In der Spreewald sind es ca. 20. Und das in Kombination mit Punkt 2 finde ich ziemlich charmant.
  4. Die Erst- und Zweitklässler haben ihren eigenen Pausenhof.
  5. Wo gibt es noch Schulen mit so viel Platz? Ein großes Gebäude, große Räume, ein großes Außengelände und eine wunderschöne Turnhalle (die allerdings wegen undichter Stellen an der Fassade (Regenwasser) gerade renoviert wird).
  6. Seit diesem Jahr gibt es Frühenglisch ab der ersten Klasse für alle Kinder, die dafür sprachlich weit genug sind. Englischunterricht startet an anderen Schulen in Berlin überwiegend erst in der dritten Klasse.
  7. Die Schule hat sich letztes Jahr ein eigenes Tonstudio eingerichtet, in dem die Kinder jetzt selbstgeschriebene Texte einsingen/rappen können.
  8. Seit diesem Jahr gibt es eine Kooperation mit der GEWOBAG und dem wissenschaftlichen Mitmachmuseum Extavium in Potsdam. Eine der Anfangsklassen wird Forscherklasse werden und angeleitet naturwissenschaftliche Experimente durchführen.
  9. Die Kinder essen im Klassenverband in einem eigenen Raum und nicht – wie an anderen Schulen – im Schichtdienst in einem riesigen Speisesaal.
  10. Die Schule profitiert von vielen Fördergeldern. Das heißt, wenn uns eine tolle Initiative einfällt können wir mit der Schule darüber sprechen und haben echte Chancen, dass sie umgesetzt wird.
  11. Hast du schon mal im Unterricht der Spreewald hospitiert? Das ist sehr zu empfehlen. Vergleiche dieses Erlebnis doch mal mit einer Hospitation an deiner Wunschschule. Ist der Unterschied immer noch so groß? Und einen Hinweis fand ich spannend: „Eltern glorifizieren oft ihre eigene Grundschulzeit und messen die Realität gerne an dieser Erinnerung, die meist 20 Jahre und länger zurück liegt.“
  12. Im Deutschunterricht wird noch stärker darauf eingegangen, dass die Kenntnisse stark auseinandergehen.

Du findest diese ganze Initiative hier richtig gut, hast dein Kind aber sowieso schon woanders angemeldet?

Ich habe mir die Geburtenrate von Berlin angeschaut und wie viele Kinder pro Jahr MEHR als im Vorjahr eingeschult werden. Ich hätte eigentlich ganz gute Argumente für meine ursprüngliche Wunschschule; aber sind sie wirklich gut genug? Ich habe auch keine Lust auf den Lostopf, durch den ich erst im Sommer erfahre welche Schule es tatsächlich wird. Ich möchte meinem Kind die Schule schon vorher zeigen. Ich möchte auch nicht klagen, weil es teuer ist und weil es nicht zu meinen Werten passt. (Den meisten erfolgreichen Klagen wird übrigens wegen Verfahrensfehlern stattgegeben – nicht wegen der guten Argumente). Und selbst wenn eine Klage Erfolg hätte – ich möchte nicht erst einen Tag vorher wissen, wo mein Kind „morgen“ eingeschult wird – das ist dieses Jahr auch schon vorgekommen.

Stattdessen kenne ich durch diese Elterngruppe schon einige Kinder, die mit meinem Kind in eine Klasse kommen, sowie deren Eltern. Und das ist ein schönes Gefühl! Wir sind uns alle in unseren Gedanken ähnlich und haben uns entschlossen, der Schule nicht nur eine Chance zu geben, sondern mit dieser Initiative einen Beitrag zu leisten, dass ihre längst existierenden guten Seiten genau so bekannt werden, wie ihre negative Vergangenheit – was auch immer daran am Ende wahr ist.

Sprich/schreib uns doch gerne an. Ich will dich nicht überreden einen möglichen Umschulungsantrag zurück zu nehmen. Aber es wäre doch schade, wenn dich unsere Argumente eigentlich überzeugen und dir nur so eine Gruppe gefehlt hat.

Liebe Grüße
Annika